Briefe

Briefe

Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847)
Die Liebende schreibt Op. 86 Nr. 3 (Goethe)

Robert Schumann (1810-1856)
Aus den östlichen Rosen Op. 25 Nr. 25 (Rückert)

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte (Baumberg)

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Darius Milhaud (1892-1974)
Lettre d‘Alissa – Alissas Brief Op. 9 Nr. 4 (Gide)

Cécile Chaminade (1857-1944)
Ma première lettre – Mein erster Brief (Gérard)

Alexander Zemlinsky (1871-1942)
Briefchen schrieb und warf in den Wind (Gregorovius)

Giulia Scopelliti

Konzept und Moderation: Giulia Scopelliti (Sopran)

Meine Damen und Herren,

im heutigen Programm wird sich alles um Briefe drehen – Ja genau, diese etwas aus der Zeit gekommene Methode, miteinander zu kommunizieren. Wann haben Sie Ihren letzten Brief erhalten oder gar verfasst? (Und ich spreche jetzt nicht von den formalen Schreiben des Finanzamtes.)

Heutzutage kommunizieren wir doch hauptsächlich über E-Mails, SMS, WhatsApp, senden Nachrichten und erhalten schnelle Antwort, lassen mit Smileys sogar unseren Gefühlszustand sichtbar werden. Zum einen sehr praktisch – zum anderen oberflächlich, ja fast schon beiläufig.

Doch nun versetzen Sie sich einmal 200 Jahre zurück, stellen Sie sich vor, wie wertvoll, wie besonders oder essentiell ein Brief sein mochte, auf den man aufgeregt wartet, der so viel Persönlichkeit in sich trägt – angefangen von der Handschrift bis hin zum Geruch des Papiers; vielleicht eine Träne, die einen Buchstaben verwischt hat oder die Art, wie das Papier gefaltet wurde… All das und noch viel mehr erleben wir gleich in den folgenden Liedern.

Zu Beginn wird uns Johann Wolfgang von Goethe mit „Die Liebende schreibt“ einen Einblick in die Gefühlswelt einer jungen Frau geben, die dabei ist, einen Brief an ihren Geliebten zu verfassen. Nach der einen intimen Begegnung ist noch gar nicht klar, ob sie zusammen sind, ob er sie auch aus der Ferne liebt… Sehnsüchtig und schmerzerfüllt vermisst und denkt sie an ihn, doch zugleich bewahrt sie sich die Hoffnung und fordert ihn auf, ihr ein freundliches Zeichen zu geben – zu der damaligen Zeit ein sehr mutiger Schritt für eine verliebte junge Frau. Wird es eine Zukunft für diese erste Liebe geben? Sie hören eine Vertonung von Felix Mendelssohn-Bartholdy.

Nun, mit dem zweiten Lied erhält sie das ersehnte Zeichen. In Robert Schumanns „Aus den östlichen Rosen“ sendet ihr der Geliebte von Herzen einen Gruß, umrahmt von Frühlingsdüften und Sehnsucht – so wie die Singstimme auch von den fließenden Arpeggien des Klaviers zärtlich umrahmt wird.

Doch diese Liebe führt letztendlich in eine große Enttäuschung, wie Sie in „Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte“ von Mozart hören. Nun, meine Damen und Herren, der Titel hat schon alles enthüllt und Sie werden eine wutentbrannte und verletzte Luise erleben, die sich vor den flackernden Flammen des Kamins befindet und dem Untergang einer so intensiven Liebe zuschaut.

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Jetzt kommen wir zu einem Lied eines nicht so bekannten, aber sehr interessanten französischen Komponisten: Darius Milhaud, der 1892 bis 1974 lebte. Er gehörte in den 1920er Jahren zu der damaligen „Groupe des six“, ein Zusammenschluss von sechs französischen Komponisten (darunter auch Francis Poulenc), die sich von aller romantischen Musik und dem Impressionismus von Claude Debussy abwandten. Das folgende Stück komponierte er jedoch 1913.

Die Protagonistin ist im zweiten Teil des Programms in eine etwas reifere Lebensphase gekommen. Sie hören einen Brief in direkter Rede, den sie an ihren jüngeren Geliebten Jérôme verfasst. Sie befindet sich in einem inneren Konflikt zwischen ihrem Gefühl zu ihm und dem Zweifel, ob ihre Liebe trotz des Altersunterschiedes wirklich gelingen kann.

In „Ma première lettre“ findet unsere Hauptfigur einen alten Brief aus der Kindheit. Die kindliche Schrift erkennt sie zunächst nicht; sie weiß erst durch die Unterschrift, dass es ihr eigener Brief ist. Wehmütig stellt sie fest, wieviel mit der Zeit vergessen wird!… auch Gefühle… auch sogar die Liebe…  Die chansonartigen ruhigen Klänge in a-Moll unterstützen diese Sentimentalität und man könnte sich gut vorstellen, wie die Komponistin und Pianistin Cécile Chaminade dieses Gedicht von Rosemonde Gérard am Klavier vor sich hatte und sich beim Lesen oder Singen des Textes selbst dazu begleitete.

Das letzte Stück ist ein lebendiger und aufbrausender Walzer von Alexander Zemlinsky. „Briefchen schrieb ich“ handelt von der Beständigkeit von Gefühlen und von immer anhaltender Hoffnung. Briefe sind und bleiben für das lyrische Ich der bevorzugte Weg, wahre Liebe zum Ausdruck zu bringen – und die wird am Ende immer siegen!

Nun sind wir am Ende unseres Konzerts angelangt. Und ich frage Sie, liebe Zuhörer, ob sich der eine oder andere unter Ihnen denn nun inspiriert fühlt, mal wieder einen Brief zu schreiben…

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Februar 27, 2022